Gewerbliche Mietverträge können seit 1. Januar 2025 auch in digitaler Form rechtswirksam abgeschlossen werden. Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz ermöglicht es, dass das bisherige Schriftformerfordernis entfällt. Für den Vertragsabschluss genügt damit eine einfache digitale Signatur, z.B. mithilfe einer Signatur-Software. In einem Webinar diskutierten Alexandre Casanova, Director Legal Real Estate Germany bei Covivio, und Rechtsanwalt Volker Mergener, Partner bei Dentons, die praktischen und rechtlichen Auswirkungen der Neuregelung.
Für Vermieter wie Covivio bietet die Neuregelung die Möglichkeit, ihre Prozesse zu beschleunigen und Papier einzusparen sowie Mieter einen besseren Service zu bieten. Gleichzeitig bleibt die Rechtslage in vielen Punkten noch unklar: Die genaue Auslegung der neuen Textform ist noch nicht höchstrichterlich definiert, wodurch das Risiko formunwirksamer Vertragsänderungen oder sogar unbeabsichtigter Vertragsschlüsse steigt. So ist beispielsweise noch nicht abschließend geklärt, ob bzw. in welcher genauen Ausgestaltung ein reiner E-Mail-Wechsel oder auch Textnachrichten via SMS oder Messengerdiensten als vollständige „Urkunde“ und somit als Vertragsabschluss gelten. Solche Unsicherheiten können dazu führen, dass Vertragsänderungen später doch angreifbar sind bzw. ein Vertrag nicht wirksam zustande gekommen ist.
Alexandre Casanova, Director Legal Real Estate Germany bei Covivio, kommentiert: „Der digitale Mietvertrag ist für uns ein konsequenter Schritt in Richtung effizienterer und rechtssicherer Abläufe. Wir begrüßen die Neuregelung auch aus ökologischen Gesichtspunkten, da wir jetzt große Papiermengen einsparen, vor allem bei Verträgen mit umfangreichen Anlagen. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass die neue Gesetzeslage nicht alle Unsicherheiten beseitigt. Um mögliche Risiken zu minimieren, haben wir unsere internen Prozesse frühzeitig angepasst, die internen Standards neu definiert und unsere Mitarbeiter umfassend dazu vorab geschult.“
Volker Mergener, Partner bei Dentons, ergänzt: „Auch wenn die Schriftform entfällt, bleibt das Risiko einer Kündbarkeit wegen Formfehlern bestehen. In der Praxis könnten sich viele frühere Schriftformprobleme als Textformprobleme fortsetzen. Noch ist unklar, welche Anforderungen an die Gestaltung der Vertragsdokumente tatsächlich gelten.“
Besonderen Handlungsbedarf sehen beide Experten bei der internen Umsetzung: Covivio hat die Umstellung auf digitale Signaturlösungen bereits frühzeitig abgeschlossen und die Mitarbeiter über Vertragsmusteränderungen und verbindliche Signaturregelungen vorab geschult. Um unbeabsichtigte Vertragsabschlüsse auszuschließen, setzt das europäische Immobilienunternehmen auf klar ausformulierte Vertragsklauseln, flankiert durch E-Mail-Disclaimer, formale Kompetenzregelungen und strukturierte Genehmigungsprozesse.
„Unsere Erfahrung zeigt, dass nicht die Technologie das Risiko darstellt, sondern der menschliche Umgang mit ihr – besonders unter Einfluss des schnelllebigen Tagesgeschäfts. Deshalb liegt unser Fokus auf regelmäßigen internen Schulungen, um die Mitarbeiter dafür zu sensibilisieren, dass mit einer einfachen E-Mail ganz schnell ein Vertrag abgeschlossen werden kann“, betont Alexandre Casanova.
Übergangsfrist bei bestehenden Mietverträgen beachten
Bei bestehenden Mietverträgen, die vor dem 1. Januar 2025 geschlossen wurden, gilt hinsichtlich einer Prüfung der Vertragsabschlüsse eine Übergangsfrist von einem Jahr. Diese Verträge können jedoch auch unter Wahrung der Textform geändert werden.
Volker Mergener erläutert: „Wenn ein bestehender Mietvertrag noch die sogenannte Schriftformklausel enthält – also die Vorgabe, dass Änderungen nur in schriftlicher Form wirksam sind –, kann es problematisch sein, einen Nachtrag einfach digital im Textformat zu erstellen. Um hier kein Risiko einzugehen, empfehlen wir in solchen Fällen zunächst einen klassischen Nachtrag in Schriftform, der die Umstellung auf Textform ausdrücklich vereinbart. Erst danach sollten weitere Vertragsänderungen digital erfolgen, damit die Formanforderungen auch bei älteren Verträgen verlässlich erfüllt sind.“
Einig sind sich beide Referenten, dass die Digitalisierung des Mietrechts ein richtiger und notwendiger Schritt ist, um Prozesse zu vereinfachen und Ressourcen einzusparen. Doch solange wichtige juristische Fragen ungeklärt bleiben, etwa zur Auslegung der Textform und der Einheitlichkeit der Urkunde oder zum Umgang mit E-Mail-Korrespondenzen, braucht es weiterhin eine besondere Sorgfalt bei der Vertragserstellung.
Volker Mergener fasst abschließend zusammen: „Es ist möglich, Mietverträge rechtssicher digital zu gestalten – aber dafür brauchen Vermieter nicht nur genaue Kenntnis der Rechtslage, sondern auch mehr Klarheit in der Gesetzgebung. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, eindeutige Rahmenbedingungen zu schaffen, insbesondere zur Auslegung der Textform.“